Ehe für alle – was ist neu?

Am 26. September 2021 hat die Schweizer Stimmbevölkerung mit deutlicher Mehrheit von rund 64% in allen Kantonen der «Ehe für alle» per Volksabstimmung zugestimmt.

Dieser Volksentscheid ermöglicht es ab dem 1. Juli 2022 allen Menschen in der Schweiz zu heiraten, ganz egal in welcher Geschlechtsverbindung.

Der neue Artikel 94 ZGB lautet: «Die Ehe kann von zwei Personen eingegangen werden, die das 18. Altersjahr zurückgelegt haben und urteilsfähig sind.» Somit wird für die Eheschliessung nicht mehr nach Geschlecht unterschieden.

Die Gesetzesänderung betrifft die Themenbereiche Adoption, Einbürgerung, Güterrecht, Fortpflanzungsmedizin sowie insbesondere eingetragene Partnerschaften.

Eingetragene Partnerschaft

Eingetragene Partnerschaften können ab dem 1. Juli 2022 nicht mehr neu registriert werden. Vor dem Stichtag geschlossene eingetragene Partnerschaften können allerdings unverändert weitergeführt werden. Paare, die eine eingetragene Partnerschaften in eine Ehe wandeln wollen, können dies mit einer einfachen «Umwandlungserklärung» machen. Eine automatische Umwandlung ist jedoch nicht vorgesehen.

Fortpflanzungsmedizin

Bisher hatten Paare in eingetragenen Partnerschaften keinen Zugang zur Fortpflanzungsmedizin. Mit dieser Gesetzesrevision wird der Zugang zur Samenspende für verheiratete Frauenpaare möglich. Eine Leihmutterschaft bleibt verboten. Sodann haben gleichgeschlechtliche Ehepaare neu die Möglichkeit, gemeinsam ein Kind zu adoptieren. In einer eingetragenen Partnerschaft ist es nur möglich, ein Stiefkind zu adoptieren, wenn eine/r der Partner/innen ein leiblicher Elternteil ist.

Einbürgerungen

Neu besteht ab 1. Juli 2022 für ausländische Ehepartner/innen die Möglichkeit, sich erleichtert einbürgern zu lassen. Nach wie vor gibt es bei der eingetragenen Partnerschaften keine Einbürgerungserleichterungen für ausländische Partner/innen.

Güterstand

In der eingetragenen Partnerschaft gilt die Gütertrennung. Allenfalls kann mit einem Vermögensvertrag zur Errungenschaftsbeteiligung gewechselt werden. Eine Gütergemeinschaft ist jedoch nicht möglich. Im revidierten Eherecht können neu auch gleichgeschlechtliche Paare alle Güterstände frei wählen; als Basis gilt die Errungenschaftsbeteiligung.

Sozialversicherungen

Sozialversicherungsrechtlich enthält die Anpassung des Gesetzes keine Änderungen.

Was ist dennoch zu beachten?

AHV

Die Voraussetzungen, um im Todesfall des Ehepartners eine Ehegattenrente zu erhalten, sind für Frauen und Männer verschieden. Während Witwer nur solange eine Rente ausbezahlt wird, wie sie für minderjährige Kinder unterhaltspflichtig sind, haben Witwen einen Rentenanspruch, wenn sie zum Zeitpunkt der Verwitwung minderjährige oder volljährige Kinder unterhalten oder wenn sie zum Zeitpunkt des Todes des Partners oder der Partnerin das 45. Lebensjahr vollendet haben und mindestens fünf Jahre verheiratet waren. Der Anspruch auf Witwen- und Witwerrente erlischt in der Schweiz generell mit der Wiederverheiratung oder dem Tod. Das bedeutet für gleichgeschlechtliche Ehepaare, dass für Männer immer die Witwerrenten-Lösung gilt und für Frauen immer jene für Witwenrenten! Für Paare in einer eingetragenen Partnerschaft gilt immer die Witwerrenten-Lösung.

UVG

Auch im UVG sind die Anspruchsvoraussetzungen für Witwen und Witwer nicht identisch. Der überlebende Ehegatte hat Anspruch auf eine Rente, wenn er bei der Verwitwung eigene rentenberechtigte Kinder hat oder mit andern durch den Tod des Ehegatten rentenberechtigt gewordenen Kindern in gemeinsamem Haushalt lebt oder wenn er mindestens zu zwei Dritteln invalid ist oder es binnen zwei Jahren seit dem Tode des Ehegatten wird. Die Witwe hat zudem Anspruch auf eine Rente, wenn sie bei der Verwitwung Kinder hat, die nicht mehr rentenberechtigt sind, oder wenn sie das 45. Altersjahr zurückgelegt hat. Auch hier gilt für Paare in einer eingetragenen Partnerschaft immer die Witwerrenten-Lösung.

BVG

Die allermeisten BVG-Lösungen behandeln Männer und Frauen bezüglich Witwen- und Witwer-Renten gleich. Damit sind auch gleichgeschlechtliche Ehepaare im BVG gleichgestellt.

Offene Fragen

Sollen mein/e Partner/in und ich unsere eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln?

Das hängt von den individuellen Bedürfnissen und Zielen ab. Eine Ehe bietet sich an, wenn man gemeinsam ein Kind adoptieren möchte oder ein Teil der Ehe von der vereinfachten Einbürgerung profitieren will. Zudem profitieren gleichgeschlechtliche Partnerinnen, die die Ehe eingehen, von einer Besserstellung in AHV und UVG im Vergleich zur eingetragenen Partnerschaft. Erbrechtlich ist es jedoch unerheblich, ob ein Paar verheiratet ist oder in einer eingetragenen Partnerschaft lebt.

Besteht eine Frist, bis zu welcher wir als eingetragene Partner/innen die Ehe schliessen müssen?

Der neue Artikel 35 des Partnerschaftsgesetzes (PartG) führt aus: «Eingetragene Partnerinnen oder Partner können jederzeit gemeinsam vor jedem/r Zivilstandsbeamten/in erklären, dass sie ihre eingetragene Partnerschaft in eine Ehe umwandeln wollen.»

Fazit Dass die «Ehe für alle» ab 1. Juli 2022 allen Geschlechterverbindungen offensteht, ist sinnvoll und führt dazu, dass alle Eheleute in der Schweiz grundsätzlich gleichbehandelt werden. Eine Heirat ist sowohl aus juristischer wie aus ökonomischer Sicht eine gegenseitige Absicherung der Partner/innen.

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